Sonntag, 25. Januar 2015

Lassen Sie uns reden


... über Smalltalk, zur Abwechslung. In der Sonntagsausgabe der Wiener Presse ist ein Interview mit mir erschienen. Und hier noch ein Gespräch, das Jan Küveler mit mir für die Literarische Welt geführt hat. Und dann habe ich noch einen Talkshow-Auftritt absolviert. War grauenhaft. Aber es brachte mir einen erholsamen Tag mit Roomservice im Parkhotel in Bremen ein.


Mittwoch, 14. Januar 2015

Enfin! L'interview de Michel Houellebecq



Greser & Lenz in der F.A.Z. heute

Mit kleinem Pietäts-Abstand hat Canal+ nun das Interview mit Michel Houellebecq gesendet. Er trauert darin um den Verlust seines engen Freundes Bernard Maris und sagt sogar: "Je suis Charlie." Hier eine gute Zusammenfassung des Interviews. Und hier ist der Link zum Video.

Thomas Steinfeld hat ja in der Süddeutschen neulich darauf aufmerksam gemacht, dass die Grundidee von Houellebeqcs "Unterwerfung" an Jean Raspails 1972 erschienenen Roman "Heerlager der Heiligen" erinnert. Raspail ist eigentlich nur Connaisseuren reaktionärer Literatur bekannt, sein Buch "Sire" ist eines der schönsten, anti-modernistischen Bücher überhaupt. Er selbst ist natürlich ein wenig durchgeknallt und warnt seit Jahren lautstark vor der Kapitulation Frankreichs vor den Moslems und setzt auf eine irgendwann folgende Reconquista des Abendlandes.


Da DuMont mir noch immer kein Exemplar von "Unterwerfung" geschickt hat, nutze ich derzeit als Ersatzdroge Huysmans Klassiker "Die Kathedrale", quasi als Vorbereitung auf Houellebeqcs Buch, das, wie man hört, stark auf dieses Bekehrungs-Buch Huysmans Bezug nimmt. Das Buch ist auf Deutsch nur antiquarisch erhältlich. 

Montag, 12. Januar 2015

Is Irony over?


Kann man nach Paris wieder zur Tagesordnung übergehen? 

Also zum Beispiel unbekümmert über ein Buch plaudern, das sich mit einem eher seichten Thema wie Smalltalk befasst? Kann ich mich unbeschwert über eine wunderbare Rezension in der Süddeutschen freuen oder darüber, dass mein Buch nun unter den Top 20 der SPIEGEL-Bestseller gelandet ist?

Genau so gut könnte man allerdings fragen: Kann man nach so einem Tag eigentlich noch Marmelade kaufen?

Stimmt schon, es gibt derzeit dringendere Probleme als den rechten Ton auf Cocktailpartys. Oder nicht? Sind die Finessen menschlichen Miteinanders vielleicht Errungenschaften genau der Zivilisation, die wir nun zu verteidigen haben? Diese Argumentation versuchte ich jedenfalls gerade in einem Radiointerview zu vertreten.

Worum genau geht es denn, wenn wir sagen, wir müssen unser westliches Zivilisationsmodell verteidigen?

Der Ökonom Bernard Marisbesser bekannt als "Oncle Bernard"-Kolumnist von "Charlie Hebdo", einer der zwölf Todesopfer des barbarischen Terroranschlags, schrieb in seinem Vorwort zu einem Karikaturen-Band 2012:

"Warum ist das Leben nicht, wie wir es erträumen: poetisch, befriedet, intelligent, spekulativ, widersprüchlich, aber so, dass jede Meinungsverschiedenheit, jede Zänkerei sich nach einer zünftigen Diskussion in einem Glas Rotwein auflösen kann – und nicht in einer Blutlache?"

Zivilisierter Umgang miteinander! Mit einem Glas Wein in der Hand statt einem Dolch! Darum geht es doch! Man kann nicht miteinander plaudern, wenn man nicht gewillt ist, beim Gegenüber nach Gemeinsamkeit zu suchen und entschlossen, bei Antipathie taktvoll und freundlich zu bleiben.

Für Takt war "Charlie Hebdo", mit seinem derben Latrinenhumor, freilich kein strahlendes Beispiel, aber: Herabsetzung und Spott sind wohl tatsächlich Bestandteil intellektueller Freiheit. Hier steht, was der Boss meines Bosses zum Thema journalistische Freiheit zu sagen hat.

Aus meiner Sicht muss es schon deshalb erlaubt sein, sich gegenseitig zu verarschen und herabzuwürdigen, weil nur wenn es erlaubt ist, man auch freiwillig darauf verzichten kann.

Nur in der absoluten Freiheit verdient sich der Mensch jene Würde, die daraus erwächst, sich für das Wahre, Gute, Schöne entscheiden zu können.



Donnerstag, 8. Januar 2015

Sind wir alle Charlie?

Das ganze hat etwas von 9/11. Nach dem Anschlag auf das Herz der Finanzwelt, nun die Attacke gegen die Freiheit des Wortes. 


Die größte Zeitung Berlins druckt eine Auswahl der bösartigsten (und mutigsten?) Titelblätter von Charlie Hebdo. Londons Independent reagiert trotzig. Meine eigene Fassungslosigkeit spiegelt am ehesten die heutige Seite 1 der Pariser Sportzeitung L'Équipe wieder.

Sind wir nun also alle Charlie? Ist die Verletzung von Sittlichkeit und die Beleidigung des Religiösen ("jetzt erst recht") eine geradezu bürgerliche Pflicht im Sinne der unbedingten Freiheit? 

Was gilt es denn zu verteidigen, wenn wir von unserer Zivilisation sprechen? Das ist auch das Thema von Houellebecqs neuem Roman. Hier die in meinen Augen bisher interessanteste Rezension. Es ist auch das Thema unserer Zeit. Um darüber nachzudenken, habe ich mir gerade ein altes Essay von Martin Mosebach hervorgekramt. Es ist seit gestern leider nicht mehr ganz ohne Unbehagen lesbar. Die Gegenposition "We Need Blasphemy" macht mich aber auch ein wenig ratlos, ähnlich wie der zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich nicht wirklich "hilfreiche" Kommentar "Muslims are right to be angry" von Bill Donohue.

Wie 9/11 stellt der 7. Januar 2015 jedenfalls eine Zäsur dar. 
Es gibt ein Davor und ein Danach.



     



Montag, 5. Januar 2015

#Houellebecq rocks!

Nächste Woche erscheint das neue Buch von Houellebecq. Bevor es überhaupt erschienen ist, gilt es bereits als Skandal.

Am Wochenende hat er sich nun in einem großen Interview für die Literaturbeilage der WELT geäußert. Das Interview ist sensationell.

Wenn sich der wichtigste Schriftsteller der Avantgarde vom Relativismus der Aufklärung lossagt und plötzlich mit Religiosität und Kirche flirtet, ist die Avantgarde dann tot? Oder ist es jetzt avantgardistisch, reaktionär zu sein?

In dem Interview zeigt er auf eine Demarkationslinie, die nicht Okzident von Orient separiert, sondern: die Religiöse (Muslime und Christen) von Anti-Religiösen trennt. Er nennt den sich daraus ergebenden Konflikt DAS Thema unserer Zeit. Genau wie einst Benedikt XVI. in seiner legendären Regensburger Rede, die ja nur von Ahnungslosen als "anti-muslimisch" bezeichnet wurde, tatsächlich aber der Versuch eines Brückenschlags des Pontifex zu den Muslimen war - angesichts der gemeinsamen Herausforderungen durch Atheismus, Laizismus und technischen Fortschritt.

Gerade erst sorgte in Deutschlands akademischer Welt die pro-religiöse Streitschrift des Humboldt-Philosophie-Professors Volker Gerhardt ("Der Sinn des Sinns") für Verblüffung.

Was bedeutet es, wenn Frankreichs wichtigster Avantgarde-Schriftsteller und Deutschlands wichtigster Kant- und Nietzsche-Lehrer die Religiosität entdecken?