Lest bitte unbedingt Benedict Neffs Weihnachts-Leitartikel in der NZZ. Am besten nicht online, sondern die knisternde Zeitung in der Hand (dazu ein Eggnogg?).
Es ist Benedicts erster Weihnachts-Leitartikel als neu bestallter NZZ-Feuilleton-Chef. Der erste Absatz brachte mich zum Lachen, in den folgenden kamen mir die Tränen, nicht sprichwörtlich, sondern IRL.
Und hier noch ein paar Worte, die ich im Austausch mit meinem Freund M.M. erarbeitet, aber nie veröffentlicht habe - meine Tochter ist der Meinung, der Ton sei ein wenig siebengescheit.
Mit seinem berühmten Satz
„… das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang …“
hat Rilke vermutlich Weihnachten im Sinn.
Wir alle kennen das, alle Jahre wieder: Man freut sich auf das frohe Fest im Kreise der Familie und kurz danach liegt man sich in den Haaren.
Rilkes Vers geht so weiter: „… den wir noch grade ertragen.“
Und damit sind wir schon mitten im Thema. Weihnachten ist das Fest der Liebe. Aber Liebe bedeutet nicht, dass man fortwährend auf Kuschelkurs ist, sondern vor allem damit, dass man sich gegenseitig zu ertragen bereit ist. Die treffendste Liebeserklärung überhaupt bietet die deutsche Sprache mit folgender Formulierung: „Ich kann dich gut leiden.“ Im Sinne von erleiden.
* * *
Wir verkitschen die Liebe.
Es muss immer alles eitel Sonnenschein sein. Ein gewaltiges Missverständnis.
Das Wort Liebe hat viele Facetten.
Der Eros, die körperliche Anziehung, ist nur eine von vielen. Ihn zum alleinigen Basis einer Ehe zu machen, ist zum Beispiel ein Fehler. Dafür ist er, der Eros, zu flüchtig, zu launisch. In der ganzen Geschichte der Menschheit bis zum Beginn des bürgerlichen Zeitalters, welches man auch das individualistische Zeitalter nennen könnte, hat der moderne, vom Eros bestimmte, Liebesbegriff für die Ehe nicht die geringste Rolle gespielt.
Joseph hat sich nicht in Maria verliebt, bevor er um ihre Hand anhielt.
Mit Gewissheit haben sich die Familien zusammengetan und festgestellt, dass dies ein passendes Paar sein könnte. Liebe als erotische Begeisterung, physische Attraktion, Hingerissenheit vom anderen hat von der Steinzeit bis weit in unsere Epoche hinein als Grund für eine Ehe und als Bedingung ihrer Dauer überhaupt keine Bedeutung gehabt. Romeo und Julia sind, ebenso wie Tristan und Isolde, wenn man genau hinsieht, Beispiele einer Katastrophe, nicht ein wünschenswertes Ideal.
Eheliche Liebe ist christlich gesehen vor allem Teilnahme der Menschen am Schöpfungswerk Gottes. Die damit verbundenen Forderungen an Solidarität und Treue sind sehr nüchtern und dienen der Stabilität der Familie und der Gesellschaft.
Kurz gesagt: Ertragt einander!
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