Frank Schirrmacher (nicht „Frank“, wir haben uns nie geduzt)
hätte seine Freude am gestrigen Abend gehabt. Er liebte die Provokation, Michel
Houellebecq war daher der ideale Preisträger des nach ihm benannten Preises.
Die Einführungsworte von Michael Gotthelf, dem Co-Präsidenten der
Frank-Schirrmacher-Stiftung, waren geschäftsmäßig nüchtern, die Laudatio der
Islamkritikerin Necla Kelek seltsam farblos, aber dann kam ER.
Michel
Houellebecq wirkt gepflegt (er hat eine neue Begleiterin an seiner Seite), er wirkt ruhig, souverän, gelassen. Er spricht in glasklarem
Französisch. Das deutsche Redemanuskript wurde zuvor verteilt.
Seine Rede, hier im Original nachzulesen, ist im zarten,
unaufgeregten Ton gehalten (hier sogar ein Video-Mitschnitt), beschreibt dabei aber den erbärmlichen Zustand der
europäischen Linken und prophezeit den Untergang des geistig
entkernten Europas. Den dogmatischen Liberalismus der westlichen Elite
beschuldigt er, alle mit dem Etikett „reaktionär“ aus der Gemeinschaft der
intellektuell Satisfaktionsfähigen auszuschließen, die den neo-liberalen
Konsens nicht teilen:
„Ein Kommunist oder jeder, der sich den Gesetzen der
Marktökonomie als letztem Ziel widersetzt, ist ein Reaktionär. Ein Anhänger
staatlicher Souveränität oder jeder, der strikt gegen die Auflösung seines
Landes in einem föderalen europäischen Raum ist, ist ein Reaktionär. Jemand,
der den Gebrauch der französischen Sprache in Frankreich verteidigt oder jenen
jeder anderen Nationalsprache in ihrem jeweiligen Land und der sich der
universellen Verwendung des Englischen entgegenstellt, ist ein Reaktionär.
Jemand, der der parlamentarischen Demokratie und dem Parteiensystem misstraut,
jemand, der dieses System nicht als die Ultima Ratio politischer Organisation
begreift, jemand, der es gerne sähe, dass der Bevölkerung öfter das Wort
erteilt wird, ist ein Reaktionär. Jemand, der dem Internet und den Smartphones
wenig Sympathie entgegenbringt, ist ein Reaktionär. Jemand, der Massenvergnügungen
so wenig mag wie organisierten Tourismus, ist ein Reaktionär.“
Vereinzeltes Kopfschütteln im Publikum. Räuspern. Am Ende
dann noch höflicher Applaus. Danach verschwindet er auf eine Zigarette.
Leider
rauche ich (derzeit) nicht, dennoch konnte ich mich für einen Moment zu ihm
stellen. „Je suis un grand admireur“, stottere ich. Er lächelt und sagt gnädig:
„Admi-RA-teur! Mais, on peu dire admireur je crois ...“ I love him!
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