Dienstag, 9. August 2016

The Birth of Frankenstein

Kindheitserinnerung: Jene Séjour, bei der mir zu meinem Horror ein Spielkamerad namens Frankenstein vorgestellt wurde. Konnte ja nicht ahnen, dass der Junge aus Franken stammt und Frankenstein eigentlich gar kein  Monster ist.

Vor genau 200 Jahren fand jener legendärer Sommer am Genfer See statt, der zur Veröffentlichung von "Frankenstein or The Modern Prometheus" führte. Mary Shelley verbrachte den Sommer 1816 bei Lord Byron und dessen Gästen. Es war das "Jahr ohne Sommer" (wegen des Ausbruchs des Vulkans Tambora im Jahr zuvor). Wegen des düsteren Wetters verließen die Gäste Lord Byrons das Haus kaum und beschlossen stattdessen, jeweils eine Schauergeschichte zu schreiben und den anderen vorzutragen. 

Kaum ein Roman des 19. Jahrhunderts ist häufiger rezipiert, gedeutet und popularisiert worden als das Werk Shelleys. In fast allen popkulturellen Spin-Offs der Frankenstein-Geschichte wird die Kreatur allerdings als Monster dargestellt. Das ist eine Verfälschung von Shelleys Erzählung. Bei ihr ruft Dr. Frankenstein, nachdem er den zusammengestückelten Leib belebt hatte, verzückt aus, wie schön doch seine Kreatur sei! Auch muss (um mich selbst und "Weltgeschichte to go" zu zitieren) in diesem Zusammenhang auf den Untertitel "Der neue Prometheus" hingewiesen werden. Das Geschöpf wird in Shelleys Buch auch nie "Monster" genannt – sondern geradezu liebevoll "creature". Das Buch war auch kein wissenschaftsfeindliches Werk, das davor warnte, dass sich der Mensch zum Schöpfer aufschwingt ... es entstand im Geiste des ungezügelten und aus heutiger Sicht naiven Fortschrittsoptimismus! Shelley war fasziniert von Galvanis Experimenten und seinen zuckenden Froschschenkeln, sie wusste von Coelestin Steiglehners Versuche mit Elektrophysiologie und dessen Versuche, tote Materie zu beleben. 

Wer hätte – siehe Gentechnik und CRISPR-Cas9-Technologie – gedacht, dass Shelleys Roman sich als vielleicht wichtigstes Werk der modernen Literatur herausstellt? Und dass Shelleys Traum vom schöpferischen Menschen zur Albtraumvision der Moderne schlechthin werden werden könnte? 

Es lohnt sich, das 200-Jahr-Jubiläum Frankensteins zu nutzen, sich ein wenig mit dem Thema zu beschäftigen. Hier ein kurzer und interessanter Artikel von Felix Dirsch in der "Tagespost" und hier ein faszinierender 30-Minuten-Podcast zum Thema (aus meiner geliebten BBC-Radio-4-Reihe "The Infinite Monkey Cage" von Brian Cox und Robin Ince).

P.S.: I'm now off to Kerala.



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