Der letzte Absatz in Martin Mosebachs Stück in der SZ-Serie "Aber was ist das – deutsch?" hat mich ziemlich berührt. In paar Tagen bin ich in Köln. Ich freu mich schon auf das Geläut der Petersglocke.
Hier die Passage aus Martins Essay. Es geht darin nicht um die Petersglocke, sondern die "Gloriosa" im Frankfurter Kaiserdom:
Die „Gloriosa“ ist so groß, dass es wohl klug ist, sie nicht allzu häufig zu läuten.
Sie wird nur zu den großen Festen bewegt. Ihr Klang ist so tief,
dass man ihn weniger mit den Ohren denn mit dem ganzen Körper hört –
nicht laut, aber langsam die ganze Luft durchdringend.
Nie gelingt es mir beim Beginn des Läutens den ersten Ton mitzubekommen;
wenn ich sie höre, hat sie stets schon eine ganze Weile geläutet.
Sanft und ernst schafft sie einen Klangraum, der weit reicht.
Ich liebe auch den Glockentumult der weniger spektakulären Geläute
in ihrer Aufgeregtheit, aber die „Gloriosa“ ist etwas anderes –
die akustische Entsprechung des Goldgrundes auf einem mittelalterlichen Bild.
Ich habe sie immer als Ankündigung und zugleich Gegenwart
von etwas Außerordentlichem empfunden, Verwandlung der Luft
und damit Erscheinung einer anderen Wirklichkeit,
und das keineswegs erst seitdem meine Mutter
nahe am Domturm in einer Weihnachtsnacht starb,
während die „Gloriosa“ läutete.
Dieser tiefe Glockenton bringt den Zorn über die weitgehende Verhunzung meiner Geburtsstadt jedesmal für eine Weile zum Schweigen.
Wenn ich mich eindringlich prüfe,
womit ich ein Gefühl von Heimat verbinde,
dann gelange ich schließlich zum Geläut der „Gloriosa“.
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