BILD macht heute auf Seite 2,
der Politik-Seite, genau das, was die
Politik versäumt: Menschen bei gesellschaftlichen Veränderungen „mitnehmen“.
BILD-Redakteure erklären – ziemlich schlüssig – warum gegen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften
nichts einzuwenden ist und warum das Urteil des Bundesverfassungsgerichts,
solche Partnerschaften auch steuerlich zu begünstigen, nur konsequent ist. Zwei
BILD-Leute (darunter naturgemäß ich) wettern dagegen.
Für das, was die Soziologie
„gesellschaftliche Kohärenz“ nennt, sind solche Debatten elementar.
Schön wäre ja, wenn so etwas
auch im Bundestag – unserem primär für die Gesetzgebung vorgesehenen
Verfassungsorgan – stattfinden würde. So könnten die Bürger an der Debatte teilhaben.
Stattdessen wachen sie morgens auf und erfahren, was „die da oben“ beschlossen
haben. Was dadurch begünstigt wird ist die zunehmende Entfremdung des Bürgers
von der Politik.
So manche Dinge, die für die
liberale, urbane Eliten nämlich keiner Erklärung bedürfen, sind für ganze
Bevölkerungsschichten „da draußen“ schwer nachvollziehbar. Wenn bei politischen
Entschlüssen, die einem „revolutionären Akt“ gleichkommen (wie die F.A.Z. heute schreibt), versäumt wird, die Menschen "mitzunehmen" (tolles neudeutsches Wort übrigens), vertieft sich der Graben zwischen der Bevölkerung und dem
politisch-kulturellen Establishment. Eine Entwicklung, die in anderen Ländern bereits
bedrohliche Ausmaße erreicht hat (siehe aktuell Frankreich, siehe auch die
Tea-Party-Bewegung in den USA).
Weil BILD Politik erklärt, statt nur Nachrichten zu verbreiten,
hätte sie längst einen Preis der Bundeszentrale für Politische Bildung
verdient.
Die Herausforderung ist dabei
immer wieder, knapp und verständlich zu schreiben. Bei meinem eigenen Beitrag
heute – gegen die steuerrechtliche
Gleichstellung – ist mir das nicht so recht gelungen. Offenbar habe ich versucht,
zu viele Gedanken auf wenige Zeilen zu zwängen.
Mir geht es nicht darum, über den Lebensentwurf
anderer zu urteilen.
Wem steht das überhaupt zu? Mir sicher nicht.
Ich bin dafür, dass Leute, die in Gemeinschaft zusammen leben und füreinander sorgen vom Staat entlastet werden. Das gilt, wenn’s nach mir
geht, übrigens für jede Form von
Wohngemeinschaft. Auch zum Beispiel, um nur eine von zig vorstellbaren Formen von Wohngemeinschaften zu nennen, für Alleinstehende, die sich zuhause um ihre gebrechliche Vater oder Mutter oder Großmutter kümmern.
Mir geht es vielmehr um Hermeneutik. Um die Verwirrung der Begriffe. Die Frage ist für mich,
wie wir die Dinge benennen. Muss jede Zweiergemeinschaft gleich als "eheähnlich" bezeichnet werden? Oder gar "Ehe" heißen? Oder mit exakt den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet sein so dass sie de facto eine "Ehe" darstellt?
Während unsere Gesellschaft
einerseits bemüht ist, Unterschiedlichkeit der Kulturen zu schützen, gibt es
paradoxerweise andererseits die Bestrebung der großen Einebnung.
Das sieht man auch in der
sogenannten „Gender-Debatte“. Einerseits triumphiert eine bedeutende Feministin
wie Naomi Wolf in ihrem Buch „Vagina“ mit der Erkenntnis, dass Frauen ganz
anders sind als Männer... andererseits gibt es da die Hyper-Fortschrittlichen,
die Begriffe wie „Mann“ und „Frau“ als „überholt“ betrachten
(siehe die aktuelle ZEIT).
Der hyper-fortschrittliche
Masterplan, Begrifflichkeiten einzuebnen und die Bedeutung von Worten auszuhölen,
ist für mich eine der zentralen Bedrohungen unserer Kultur.
Irgendwann wird durch die große Sinnentleerung nämlich nichts mehr irgendetwas bedeuten. „Ehe“, „Treue“, „Freundschaft“, „Leben“,
„Tod“, „Liebe“, „Mann“, „Frau“ ...
In Großbritannien fand vor
wenigen Tagen eine bemerkenswerte Debatte im Oberhaus statt, in der genau das
zur Sprache gebracht wurde. Und zwar von Justin Welby, dem Erzbischof von Canterbury, dem ranghöchsten
Bischof der anglikanischen Kirche (die übrigens kein Problem mit offen in schwuler Lebensgemeinschaft lebenden
Bischöfen hat!). Welby bezweifelt den Wert solcher Lebensgemeinschaften nicht. Er stößt sich aber daran, sie „Ehe“ zu nennen. Hier ist seine Rede im Wortlaut.
Lesenswert ist vor allem auch die Rede von Lord Dear, der eine Passage aus Lewis Carrolls „Alice im
Wunderland“ zitiert, in der Alice mit Humpty Dumpty darüber in Streit gerät,
was die Bedeutung eines Wortes (nämlich des Wortes „grace“ – letztlich: Schönheit) ist. Die Passage gewinnt in Zeiten wie diesen, im Zeitalter des Relativismus, ungeahnte Bedeutung:
Der arrogante Humpty Dumpty
sitzt also auf seiner Mauer, in Anzug und Krawatte, schaut verächtlich auf
Alice herab und sagt: „Wenn ich ein Wort benutze, heißt es genau das, was ich will. Nicht mehr und nicht weniger.“ Perplex antwortet Alice: „Aber wie kann denn ein Wort unterschiedliche Dinge bedeuten?“ Worauf der eitle Ei-Mann schroff antwortet: „Die
Frage ist doch, wer hier der Meister ist, so einfach ist das!“
So etwas wie das Gute, Wahre,
Schöne gibt es für den Nihilisten gar nicht. ER macht sich zum Meister,
bestimmt selbst, was richtig und falsch ist, kann damit nach Belieben jonglieren,
heute so, morgen so.
Besser als Lewis Carroll es
mit seiner Alptraum-Vision „Alice im Wunderland“ getan hat, kann man Nihilismus nicht auf den Punkt bringen.
P.S.: Auf vielfachen Wunsch (genauer: meine Schwester Gloria hat dies angeregt) ist nun die Kommentar-Funktion freigeschaltet. Aber, bitte benehmt Euch!
P.S.: Auf vielfachen Wunsch (genauer: meine Schwester Gloria hat dies angeregt) ist nun die Kommentar-Funktion freigeschaltet. Aber, bitte benehmt Euch!
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