17. Oktober 2016, BILD, Seite 1. |
Obamas "Asian pivot", der neue geopolitische Dreh-und-Angelpunkt der US-Außenpolitik, würde aus dem Scharnier brechen, wenn nun nach den Philippinen mit Thailand ein zweiter wichtiger verbündeter in Asien sich als unzuverlässlich oder gar instabil herausstellen sollte. Thailand ist die zweitwichtigste Volkswirtschaft Südostasiens, gehört zu den Top-20-Industrienationen der Welt, jedes Jahr reisen 40 Millionen Touristen nach Thailand. Thailand ist nicht Tonga. Es ist von zentraler Bedeutung, wer in diesem Land die Macht hat und ob dort Stabilität und Wohlstand wächst. Die Bevölkerung hat bislang die zahlreichen Militärcoups gegen ihre gewählten Regierungen nur hingenommen, weil über allem der paternalistische Geist König Bhumipols schwebte. Jetzt ist der tot. Eine unbeliebte Militärregierung, die gerade erst umstrittene Verfassungsänderungen in Kraft zu setzen gedenkt, gepaart mit einem beim Volk verhassten König ist jedenfalls kein Rezept für Stabilität in der Region.
Der Schachzug des umstrittenen Kronprinzen Vajiralongkorns, seine Thronbesteigung um mindestens ein Jahr hinaus zu schieben, um "angemessen trauern zu können", wie es aus dem Palast heißt, scheint mit größerem Abstand immer geschickter. Soll doch General Prem, der 96 Jahre alte Vorsitzende des Kronrats und verfassungsmäßige Übergangsregent, die unpopulären Verfassungsänderungen unterzeichnen, die der Militärregierung quasi diktatorische Vollmachten verleihen. In der Zwischenzeit kann Vajiralongkorn in Ruhe seine Optionen prüfen ohne sich vor den Augen des Volkes mit dem unbeliebten Regime des Militärs gemein machen zu müssen.
Nichts fürchtet übrigens das Militär und die traditionelle, um Hof und Palast organisierte Thai-Elite so sehr wie den Einfluss des Berlusconi-Verschnitts Thaksin, den vom Militär und Gerichtsbarkeit weggeputschten Volkstribun und ehemaligen (gewählten) Premierminister. Der Multimilliardär sitzt in Dubai im selbstauferlegten Exil. Auch er wird derzeit – belauscht von sämtlichen Geheimdiensten der Welt – seine Optionen sortieren.
Die Macht der thailändischen Monarchie ruht auf einem riesigen Netzwerk aus Palast, Militär, Justiz und Unternehmen, in dem königliche Günstlinge im ganzen Land Aufträge und Vergünstigungen verteilen. Im Zentrum steht das Crown Porperty Bureau (CPB), ein Konglomerat, das alle königlichen Besitztümer und Investments verwaltet. Steuerfrei. Alle Verantwortlichen des CPB werden vom Palast ernannt. Sie verwalten – konservativ geschätzt – 50-60 Milliarden US-Dollar. Darunter die Mehrheit an Thailands größter Bank, die teuersten und wichtigsten Grundstücke Bangkoks und Anteile an Konzernen rund um den Globus (darunter die Mehrheit an der Hotelgruppe Kempinski).
Es nicht so sehr die Person Thaksins, die die Hof-Elite fürchtet, als ein System der Günstlingswirtschaft, das mit dem bisherigen konkurriert und es zu ersetzen droht. Viele Verbündete des alten Königs sehen den Kronprinzen als Bedrohung. Der derzeit als Staatsoberhaupt fungierende Regent, General Prem, gilt als einer der wenigen Vertrauten des alten Königs, der es in der Vergangenheit gewagt hat, den Kronprinzen zu kritisieren. Er gilt jedenfalls nicht als Freund Vajiralongkorns.
Was das Thai-Establishment besonders beunruhigt: Als Kronprinz hat Vajiralongkorn vor ein paar Jahren die Fühler nach dem exilierten Thaksin ausgestreckt. Angeblich hat Thaksin ihm vor ein paar Jahren, als Zeichen der Annäherung, sogar ein Luxusauto geschenkt. Der FT hat Thaksin vor zwei Tagen allerdings versichert, er habe seit sechs Jahren kein Kontakt mehr zum Kronprinzen. Hier ein Bericht des "Economist" über den Machtpoker in Bangkok und die möglichen Folgen.
Was das Thai-Establishment besonders beunruhigt: Als Kronprinz hat Vajiralongkorn vor ein paar Jahren die Fühler nach dem exilierten Thaksin ausgestreckt. Angeblich hat Thaksin ihm vor ein paar Jahren, als Zeichen der Annäherung, sogar ein Luxusauto geschenkt. Der FT hat Thaksin vor zwei Tagen allerdings versichert, er habe seit sechs Jahren kein Kontakt mehr zum Kronprinzen. Hier ein Bericht des "Economist" über den Machtpoker in Bangkok und die möglichen Folgen.
Aus BILD, 15.10. |
In Tutzing, wo sich Vajiralongkorn bekanntlich meist aufhält, herrscht im Moment eine angemessen herbstlich-melancholische Stimmung, wie dieser TV-Bericht vom Bayerischen Rundfunk dokumentiert. Im nahen Pullach wird man hier vergeblich nach Indizien für die Absichten des Kronprinzen suchen. Die neue Villa, die der Kronprinz gerade für sich und seine derzeitige Hauptfrau herrichten lässt, ist derzeit eine Baustelle. Der Prinz weilt in Bangkok. Sein etwa 200 Personen umfassender oberbayerischer Haushalt ist verunsichert. Ihre wichtigste Frage – und zugleich auch eine der wichtigsten geopolitischen Fragen derzeit ist, ob er die Villa in Tutzing überhaupt je beziehen wird.