Montag, 12. Januar 2015

Is Irony over?


Kann man nach Paris wieder zur Tagesordnung übergehen? 

Also zum Beispiel unbekümmert über ein Buch plaudern, das sich mit einem eher seichten Thema wie Smalltalk befasst? Kann ich mich unbeschwert über eine wunderbare Rezension in der Süddeutschen freuen oder darüber, dass mein Buch nun unter den Top 20 der SPIEGEL-Bestseller gelandet ist?

Genau so gut könnte man allerdings fragen: Kann man nach so einem Tag eigentlich noch Marmelade kaufen?

Stimmt schon, es gibt derzeit dringendere Probleme als den rechten Ton auf Cocktailpartys. Oder nicht? Sind die Finessen menschlichen Miteinanders vielleicht Errungenschaften genau der Zivilisation, die wir nun zu verteidigen haben? Diese Argumentation versuchte ich jedenfalls gerade in einem Radiointerview zu vertreten.

Worum genau geht es denn, wenn wir sagen, wir müssen unser westliches Zivilisationsmodell verteidigen?

Der Ökonom Bernard Marisbesser bekannt als "Oncle Bernard"-Kolumnist von "Charlie Hebdo", einer der zwölf Todesopfer des barbarischen Terroranschlags, schrieb in seinem Vorwort zu einem Karikaturen-Band 2012:

"Warum ist das Leben nicht, wie wir es erträumen: poetisch, befriedet, intelligent, spekulativ, widersprüchlich, aber so, dass jede Meinungsverschiedenheit, jede Zänkerei sich nach einer zünftigen Diskussion in einem Glas Rotwein auflösen kann – und nicht in einer Blutlache?"

Zivilisierter Umgang miteinander! Mit einem Glas Wein in der Hand statt einem Dolch! Darum geht es doch! Man kann nicht miteinander plaudern, wenn man nicht gewillt ist, beim Gegenüber nach Gemeinsamkeit zu suchen und entschlossen, bei Antipathie taktvoll und freundlich zu bleiben.

Für Takt war "Charlie Hebdo", mit seinem derben Latrinenhumor, freilich kein strahlendes Beispiel, aber: Herabsetzung und Spott sind wohl tatsächlich Bestandteil intellektueller Freiheit. Hier steht, was der Boss meines Bosses zum Thema journalistische Freiheit zu sagen hat.

Aus meiner Sicht muss es schon deshalb erlaubt sein, sich gegenseitig zu verarschen und herabzuwürdigen, weil nur wenn es erlaubt ist, man auch freiwillig darauf verzichten kann.

Nur in der absoluten Freiheit verdient sich der Mensch jene Würde, die daraus erwächst, sich für das Wahre, Gute, Schöne entscheiden zu können.



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