Dienstag, 8. Dezember 2015

Weder dürr noch matt!

Als Student lebte Friedrich Dürrenmatt in Bern und malte seinen Studentenbude mit Wandbildern aus. Sie sind umwerfend! Auf der Website des Schweizerischen Literaturarchivs sind Bilde aus Dürrenmatts Mansarde zu sehen. Hier
P.S.: Jeder kann dort übernmachten (50 SFr/Nacht).

Dienstag, 1. Dezember 2015

Thoooose were the days

Mein liebster Zeitungsartikel heute stand in der NZZ. 
Nicht zuletzt wegen des Fotos.
Es zeigt James Hunt im Weltmeisterjahr 1976.






Mittwoch, 18. November 2015

St. Denis

Hier noch ein Nachtrag zu Saint-Denis. 

Der Mann, dem diese Stadt ihren Ruhm verdankt wurde auch ISIS-mäßig geköpft. Allerdings von den Römern. Danach ging der Heilige Denis noch kilometerweit, Kopf unter'm Arm, den Montmartre hinunter – und legte sich an dem Ort nieder, an dem heute die Basilika von Saint-Denis steht. Neben Reims war Saint-Denis immer der neuralgische Ort des französischen Nationalmythos. 

Heute ist Saint-Denis eine sogenannte No-Go-Zone.





Dienstag, 17. November 2015

Symbolik

Einer der Attentäter kam aus Chartres.Chartres! 
Dann wurde eine Terrorzelle in Aachen ausgehoben. Aachen. Irgendwie unheimlich. Die Hintermänner: in St. Denis.You must be f*** kidding me! Hier ein wichtiger Beitrag von Gustav Seibt zur Debatte über die Frage, wie wehrhaft eine pluralistische Gesellschaft zu sein hat – auch gegenüber jenen, die jetzt den libertär-hedonistischen Konsens mit Zähnen zu verteidigen entschlossen sind.




Samstag, 14. November 2015

Quelle horreur

Ein Freund schrieb mir gerade: "Jetzt steht der Islam wieder vor Paris, wie vor 1300 Jahren bei Tours und Poitiers." Ganz so ist es nicht, glaube ich. Nicht "der Islam" steht vor Paris, aber es ist ein Weltkonflikt, der "Figaro" titelt: "Krieg mitten in Paris." Präsident Hollande spricht davon, "den Kampf anführen" zu wollen.

Ausgerechnet heute druckt die katholische Zeitung "Die Tagespost" einen Artikel von mir, in dem ich Houellebeqcs "Unterwerfung" als vielleicht wichtigstes literarisches Werk unserer Zeit bezeichne. Dort steht alles über den Konflikt, der sich gerade entfaltet.


Hier kann man meinen Text nachlesen.



Mittwoch, 11. November 2015

Wos I zu Schmidt no sagn Kant

Vielleicht zeichnet große* Bundeskanzler aus, dass sie es in historischen Zeiten auf sich nahmen, sich gegen ihre Partei zu stellen und sich – notfalls ihre Kanzlerschaft opfernd – durchsetzten. Adenauer bei der Westbindung. Schmidts NATO-Doppelbeschluss, Schröders Agenda 2010. Merkels Flüchtlingspolitik?

Hier noch ein interessanter Artikel von Patrick Bahners über ein angebliches Zitat von Kant, zu dem er Helmut Schmidt einmal (vergeblich) gebeten hat, etwas zu Papier zu bringen.

* Kohl steht angesichts seiner historischen Leistung ohnehin außer Konkurrenz.

Montag, 26. Oktober 2015

Die Synode in der Nußschale

Die Lehre bleibt unangetastet ... und in der Praxis, na ja, schau' ma mal, Roman style... das, in der Nußschale, ist das Ergebnis der römischen Familiensynode. So ist es auch in BILD nachzulesen. Die Deutschen wollten, in ihrer deutschen Art, etwas Schwarz auf Weiß, was eh längst Praxis ist – ein laxer Umgang mit der Eucharistie und Aggiornamento 2.0.

Wer es gerne präziser (und pessimistischer) hat, hier eine ausführliche Analyse sowie ein spekulativer, aber sehr interessanter Hintergrundbericht.




Mittwoch, 9. September 2015

Wieder im Dienst

... und endlich auch mal wieder eine Erwähnung im Neuen Deutschland. Ist lange her, dass eine SED-Zeitung (ich glaube es war in den 90er Jahren die "Junge Welt") dazu aufforderte, meinen Kopf aufgespießt durch Berlin zu tragen.


Donnerstag, 9. Juli 2015

Der Pate


Endlich darf mit Superlativen um sich geschmissen werden, weil es sie nicht posthum verfasst werden, sondern es um die rechtzeitige Ehrung eines Mannes handelt, der epochalen Einfluss auf die deutsche Sprache hat. Für Pop-Literaten war Rainald Goetz immer der Pate. Aber er hat für so viel mehr Pate gestanden, noch so viel mehr Neues probiert und geschaffen, die webcam-hafte Bannung der Gegenwart ist seine. In BILD musste ich mich kurz fassen, deshalb heißt es hier, siehe oben: Wer in 1000 Jahren wissen will, wie wir lebten, muss Goetz lesen.

Aber bitte unbedingt auch die ernsthaften Elogen lesen, as Moritz Uslar is pointing out.


Freitag, 26. Juni 2015

It was great to have you



ERII ist wieder zuhause.

Nach einer ernsten, letzten Etappe, dem Besuch im 1945 von britischen Truppen befreiten KZ Bergen-Belsen. Hier ein beeindruckendes Bild von der Königin und Prinz Philip, wie sie nach der Kranzniederlegung nachdenklich durch die Lüneburger Landschaft schreiten 

Ich bleib dabei: Die Bundesrepublik hätte sich ein bisschen mehr ins Zeug legen können. Tiefpunkt: Die Spreefahrt auf einer abgewetzten Schaluppe, mit Selfies-machenden Bootsleuten in T-Shirts...

Gibt es hier überhaupt noch Leute irgendwo, die das protokollarische Handwerk verstehen?

Die englische Königin ist 89. Mehr und mehr gibt sie Amtspflichten an ihren Thronfolger ab. Sehr viele Reisen außerhalb des Commonwealth wird sie nicht mehr übernehmen. Dass sie gerade Deutschland noch einmal die Ehre eines großen Staatsbesuchs gab, war ein Zeichen außerordentlicher Freundschaft zu diesem Land. Großbritannien ist es zu verdanken, dass wir – als Heuss und Adenauer 1951 als Staatsgäste im Buckingham-Palast empfangen wurden – den Status als Aussätzige verloren haben. Carlo Schmid schrieb damals in einem Gastbeitrag für den „Guardian“: „Die Deutschen empfinden dies als das Ende ihres Status als moralisch geächtete Nation“. Bei ihrem ersten Staatsbesuch vor genau 50 Jahren durfte sich die junge Bundesrepublik endlich einmal mit Glanz und Gloria präsentieren. Es war die formelle Wiederaufnahme in die Weltgemeinschaft.

Now she is gone. Um 13.52 Uhr hob ihr Flugzeug ab. Chance vertan.


Mittwoch, 24. Juni 2015

Ze visit


Das dienstälteste Staatsoberhaupt der Welt kommt zum Staatsbesuch nach Berlin. 
Und wer holt sie am Flughafen ab? 

Der Bundespräsident? 
Die Bundeskanzlerin? 
Nein, das sieht das Protokoll nicht vor... wäre aber eine besondere Geste gewesen, angesichts der Tatsache, dass dies wohl einer der letzten Visiten außerhalb des Commonwealth ist, den Elisabeth II. nicht an ihren Thronfolger delegiert. Und mit Sicherheit ihr letzter Staatsbesuch in diesem Land. 

Also wen schickt die Bundesregierung, um die Queen am Flughafen Berlin-Tegel zu empfangen? Den Außenminister, wie es das Protokoll vorsieht? Als US-Präsident Obama vor zwei Jahren zum Staatsbesuch kam, empfing ihn, wie es sich gehört, Außenminister Westerwelle.

Nein, die Bundesregierung schickte den Protokollchef.
Traurig. Und ein diplomatischer Affront.

Der "Guardian" hat heute übrigens aus meiner BILD-Serie "Die Queen und die Deutschen" zitiert, um auf die politische Relevanz dieses Besuchs hinzuweisen. 

All das Fähnchenschwingen und Tschingderassabum darf nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Besuch fast schon ein Verzweiflungsakt der Londoner Regierung ist, um den Zug Richtung EU-Fiskalunion (lies: Auflösung der Nationalstaaten zu Gunsten eines europäischen Superstaates) aufzuhalten. Da wäre Großbritannien nämlich nicht dabei, zumal die Briten den Anstand haben, ihr eigenes Volk zu so einem Schritt befragen zu wollen. Merkel, Juncker & Co. wollen das freilich – ähnlich ihrer Griechenland-Politik – lieber unter sich ausmachen.

Sonntag, 21. Juni 2015

Windsoritis

Londons "Daily Telegraph" hat freundlicherweise meine Serie "Die Queen und die Deutschen" in seiner Berichterstattung über den bevorstehenden Staatsbesuch der englischen Königin aufgegriffen. 
Hier der Bericht der Londoner Kollegen.


Donnerstag, 28. Mai 2015

Sodomy! Read all about it!

In der Berliner Volksbühne fand gestern die Premiere von "Die 120 Tage von Sodom" statt. Brav traditionelles Bürgerschreck-Theater. Gähn. Immerhin gab mir BILD die Gelegenheit, zu erklären, dass es tatsächlich zur Ur-Tradition des Theaters gehört, Zuschauer vor den Kopf zu stoßen. Aristoteles in BILD zu würdigen ist jedenfalls immer wieder ein Vergnügen. Die Lektüre des ganzen Artikels kann man sich sparen. Aber den Ausschnitt mit Aristoteles möcht ich schon herzeigen. Hier isser. Wer wirklich Näheres über das Theaterstück erfahren will, dem empfehle allerdings diesen hier von André Mumot. 

Bemerkenswert ist übrigens, wie Alt-Linke (wie Houellebecq) plötzlich uns Reaktionäre in ihrer Verurteilung der gottlosen, moralisch entkernten Welt überholen. Der Regisseur des Berliner Theaterstücks, der Alt-Kommunist Kresnik, basiert seine Inszenierung ja auf Pasolini, dessen Skandalfilm aus dem Jahre 1975 eine Anklage der gottlosen Moderne war. Pasolini (ein großer Sünder und tief gläubig!) plante – was wenige wissen – um die Zeit seines gewaltsamen Todes ein großes Filmwerk über den Apostel Paulus. Der Drehbuch-Entwurf ist sehr berührend. Das Werk eines großen Gläubigen. Als Buch z.B. hier erhältlich.

Um beim Thema zu bleiben: Die Diskussion um diverse sexuelle Praktiken und Lebensmodelle findet auf erbärmlichen intellektuellen Niveau statt. Ich bin ja dafür, alle Verantwortungsgemeinschaften (also nicht nur die von Schwulen und Lesben, sondern auch die von zusammen lebenden Familienangehörigen - von allen also, die füreinander Verantwortung übernehmen) gesetzlich zu privilegieren. Man muss das ganze ja nicht gleich der Ehe gleichstellen oder es gar so nennen. Aber das soll hier egal sein. Gustav Seibt hat nun in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel verfasst, der das Niveau der Debatte deutlich nach oben korrigiert. Die Lektüre auf der SZ-Homepage ist leider kostenpflichtig. Aber es lohnt sich. Ein nicht von der Hand zu weisender Einwand gegen die Ausweitung der Ehe-Privilegien ist z.B. dieser: "Rechtsinstitute werden immer von sehr unterschiedlichen Personengruppen in Anspruch genommen werden, ohne ihren Kern zu verlieren. Es gab Gesellschaften, die den Frauen das Recht auf Eigentum verweigerten – am Rechtsinstitut des Eigentums änderte sich nichts, als es für beide Geschlechter galt." Good point.


Dienstag, 19. Mai 2015

When Dogs Fly

In Memoriam Dean Potter, der am 16. Mai im Yosemite-Nationalpark bei einem seiner Base-Jumps gestorben ist. Die Süddeutsche hat ihm heute einen kleinen Nachruf gewidmet. 

Menschen wie Dean sind nicht verrückt. Sie leben eine archaische Sehnsucht aus, sie konfrontieren uns nur mit einem Leben, das nicht am Schreibtisch oder an irgendein elektrisches Gerät verkabelt verbracht wird und nicht durch zig Policen (scheinbar) abgesichert ist. 

Menschen wie Dean erinnern uns daran, dass Gefahr über zwei Millionen Jahre Menschheitsgeschichte hinweg (bis vor 1-2 Generationen!) ein völlig normaler Teil des Lebens war. 
Und sie erinnern uns an unsere Sehnsucht nach Spiritualität, die aus diesem Gefühl der Unmittelbarkeit erwächst.








Freitag, 15. Mai 2015

Wichtige Frage(n)

In den letzten Tagen hat mich die gescheiterte Wahl eines neuen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker elektrisiert. Statt selber meinen Senf dazu gegeben, habe ich Norman Lebrecht, den Kritikerfürst der Klassik-Szene schlechthin, gebeten, für BILD und B.Z. eine Einordnung zu verfassen. Nachzulesen ist der Beitrag hier und auf Lebrechts Blog Slipped Disc.

Eine noch wichtigere Frage, nämlich nach dem Sinn des Lebens selbst, stellte sich der Verfasser eines Leserbriefes an den Londoner "Daily Telegraph", den ich dem geneigten Besucher meiner Seite nicht vorenthalten darf:






Donnerstag, 7. Mai 2015

Wiedervereinigung

Die Wulffs sind wieder ein Paar.
Ihr "Liebes-Outing" fand in Verona statt – vor der Casa di Guiletta.
Dazu heute ein kondensiertes Briefing zum Thema in BILD.

Sonntag, 3. Mai 2015

#RoyalBaby Congratulations




BILD.de hat mich gebeten, den Geburtstag der Windsor-Prinzessin (2. Mai) als Menetekel zu deuten – schließlich teilt sie sich ihn mit Katharina der Großen. 

Dienstag, 28. April 2015

Shivas Tränen



Natürlich gibt es angesichts von Tausenden Toten Wichtigeres. Aber dennoch ist dieser Bericht des National Geographic eine hilfreiche Übersicht, um zu erfahren, welche der unzähligen Kulturdenkmäler Nepals das Erdbeben überstanden haben.

Meine Gebete sind mit den Toten. Und den Trauernden.

Sonntag, 26. April 2015

Horseshit?


Manche Mythen dürfen nicht zerstört werden. Denn oft verraten sie mehr als reine wissenschaftliche Geschichtsschreibung. Oder wie ein Freund von mir einmal auf die erstaunte Frage, ob bei Heini Thyssen wirklich ein Picasso auf dem Klo hing, leicht genervt antwortete: "Nein, natürlich nicht, aber so war er!"

Nun hat Bianca Jagger in einem Brief an die Weekend FT (Letters, 25./26. April) klargestellt, dass die uralte – fest in New Yorks Mythologie – verankerte Geschichte, sie sei an ihrem 32. Geburtstag auf einem weißen Pferd ins Studio 54 eingeritten, leider nicht stimmt.

Sie schreibt:

"I would like to set the record straight. Mick Jagger and I walked into Studio 54. Steve Rubell had apparently seen a picture in a magazine of me riding a white horse in Nicaragua and he thought it would be a clever idea to bring a horse to the club as a birthday surprise for me. It was a beautiful white horse that reminded me of mine and I made the foolish decision to get on it for a few minutes. The photographed image went around the world, giving rise to the fable – that  I arrived at the Studio 54 on a white horse."

Ab da gleitet der Brief ab. Sie fährt fort:

"As an environmentalist and an animal rights defender, I find the insinuation that I would ride a horse into a nightclub offensive."

Ok, ok. We get it. Aber, dearest Bianca, der Übermut, der "spirit" der unter Euch damals herrschte, wird durch diesen einen Satz "she famously entered her birthday party atop a white horse", ob akkurat oder nicht, allegorisch auf den Punkt gebracht. Muss Geschichte nicht manchmal in Anekdoten erzählt werden, um ein wirklich akkurates Bild der Zeit zu vermitteln?

Egon Friedell schrieb in seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit": "Oft wird ein ganzer Mensch durch eine einzige Handbewegung, ein ganzes Ereignis durch ein einziges Detail schärfer, einprägsamer, wesentlicher charakterisiert als durch die ausführlichste Schilderung. Kurz: die Anekdote in jederlei Sinn erscheint mir die einzig berechtigte Kunstform der Kulturgeschichtsschreibung."

Und beim großen englischen Historiker Thomas Macaulay finden wir den Satz: "Die besten Porträts sind vielleicht die, in denen sich eine leichte Beimischung von Karikatur findet, und es lässt sich fragen, ob nicht die besten Geschichtswerke die sind, in denen ein wenig von der Übertreibung der dichterischen Erzählung einsichtsvoll angewendet ist."

Oder, um es mit Reich-Ranicki zu sagen: "Man muss eben übertreiben und verstanden zu werden."

Sonntag, 19. April 2015

Wie alt ist Yoda?


Ein Kurator der British Library hat eine reizvolle Übersicht mittelalterlichen Darstellungen von Monstern und Dämonen zusammengestellt. Das hier online gestellte Video ist sehr kurz, aber auch sehr sehenswert.

Bemerkenswert ist u.a. obige Darstellung aus den sogenannten Smithfield Decretals aus dem 14. Jahrhundert. Für Star-Wars-Fan ist klar, wer hier dargestellt wird.


Mittwoch, 15. April 2015

IS das ne Sternstunde?

Seit Christian Krug Chefredakteur des "Stern" ist, erlebt man erstaunlich oft jenes zuletzt aus den späten 70-ern kolportierte Gefühl, am Donnerstag unbedingt dieses Heft in die Hand kriegen zu müssen. 


Jetzt wieder! 
Exklusiv! 
Jürgen Todenhöfer "Im Herzen des Kalifats"! 

Allein, man darf Entwarnung geben. Die Lektüre des Vorabdrucks aus Todenhöfers Buch "Inside IS" ist enttäuschend. Nicht nur erfährt man sehr wenig, die Sprache ist für Todenhöfer auch erstaunlich blass und phrasenhaft, mal herrscht "schneidene Kälte", dann wieder "eisige Stille", der Aufpasser ist "fast so breit wie hoch", "jeder rennt, so schnell er kann", und wenn's halbwegs spannend wird, kann man "das Gespräch nicht vertiefen", leider. 

Hier die Top 3 der schüleraufsatzhaften Worthülsen aus der Todenhöfer-Reportage im "Stern" (17/2015):

"... es geht über Stock und Stein" 

"Mir bleibt fast das Herz stehen"

"Es herrscht dicke Luft."

Dann lieber doch nochmal die Reportage ansehen, die vor etwa einem Jahr der Reporter Medyan Dairieh für VICE gedreht hat. 

Montag, 13. April 2015

Krass


Die wichtigsten Werke von Günter Grass (R.I.P.)...
... in maximal fünf Wörtern.

Die Blechtrommel (1959):
Giftzwerg nervt Nazi-Kleinbürger.

Katz und Maus (1961):
Auch Hitlerjungen hatten Sex.

Hundejahre (1963):
Deutsche sind hündisch treu.

Der Butt (1977):
Männer hassen ihre Frauen.

Kopfgeburten (1980):
Hoffentlich sterben die Deutschen aus.

Die Rättin (1986):
Hoffentlich geht die Welt unter.

Das weite Feld (1995):
Die DDR war ganz okay.

Beim Häuten der Zwiebel (2006):
Ich war bei der Waffen-SS.

Grimms Wörter (2010):
Die deutsche Sprache bin ich.


Samstag, 28. März 2015

Das ganz normale Böse




Wir leben in einer Zeit, in der die Allgegenwärtigkeit des Bösen gerne geleugnet wird. 

Wir alle üben Gewalt aus. Täglich. Im Kleinen. "In Gedanken, Worten und Werken." Wenn wir unsere Macht gegenüber Schwächeren ausspielen. Wenn wir über Kollegen tratschen. Wenn wir wegsehen, wenn in unserem Umfeld Unrecht geschieht. Klingt banal? Ist es nicht. Und wenn, dann allenfalls – um mit Hannah Arendt zu sprechen – so banal wie das Böse selbst. Die allermeisten von uns sind auch anfällig dafür, sich über ethische Normen und Moral hinweg zu setzen, wenn dies denn scheinbar rationellen Zielen dient und "von oben" autorisiert ist. Wer daran zweifelt, sei an das berühmte Milgram-Experiment erinnert, hier dazu ein kleiner YouTube-Link.

Wenn das Böse nicht mehr zu leugnen ist, wie jetzt im Falle #AndreasLubitz #4U9525, wählen wir gerne die bequeme Option, es weg zu schieben. Weit weg. Am besten auf die psychisch Kranken. Die Irren. Hauptsache ganz weit weg. Das wiegt uns im wohligen Gefühl der Unanfälligkeit für Gewalttaten. Dazu habe ich einen Beitrag auf Bild.de verfasst, hier ist er zum Nachlesen
Dazu empfehle ich einen hervorragenden Kommentar des Guardian, eine Warnung, Menschen mit depressiven Störungen zu brandmarken. Jeder Journalist, der Menschen mit Depressionen uninformiert oder gedankenlos als "gefährlich" bezeichnet, macht sich schuldig. Wieder ein paar Menschen mehr, die diese heilbare Krankheit als Makel empfinden und Behandlung scheuen.

Zur Vertiefung des Themas empfehle ich die Schriften und Vorträge des in meinem BILD-Artikel mehrfach zitierten berühmten forensischen Psychiaters Professor Reinhard Haller. Hier ein Interview mit ihm auf Deutschlandradio Kultur und hier ein Dialog mit ihm zum Thema "Das ganz normale Böse":


Sonntag, 8. März 2015

Lesen!



Ok, ok, Ihr seid mit Houellebecq durch.
Was muss man jetzt lesen?
DAS!

"The Opposite of Loneliness" war 2014 mein absolutes Lieblingsbuch. Die Essay-Sammlung dieser 2012 bei einem Autounfall getöteten Yale-Literatur-Studentin wurde posthum veröffentlicht. Jetzt gibt es dieses Buch (Chapeau Fischer-Verlag!) erfreulicherweise auch auf Deutsch.

Wer mehr wissen will, muss diesen Artikel lesen.
Oder es einfach bestellen, weil Ihr mir vertraut.
Zum Beispiel hier.


Dienstag, 3. März 2015

Die Quintessenz

Habt Ihr das Interview im SPIEGEL mit Michel Houellebecq gesehen? Wahnsinn! Unfassbar! Umwerfend!





Hier ein paar prägnante Passagen:


Wir wohnen einer Rückkehr des Religiösen bei. Ein Paradigmenwechsel, ein Prozess der Respiritualisierung ist im Gang. Das Glaubens- und Wertesystem verändert sich. Eine Gedankenströmung, die mit der Reformation begann und mit der Aufklärung ihren Höhepunkt erreichte, ist dabei, zu erlöschen.

* * *

Der Rationalismus wird von immer mehr Menschen als erstickend empfunden. Es gibt eine spirituelle Macht, die noch aktiv ist und sogar wieder erstarkt. Das lässt sich am Erfolg gewisser Bücher und Filme wie "Der Herr der Ringe" ablesen. Der Atheismus weicht zurück, er stirbt an seinen eigenen Zweifeln. Ich teile die Ansicht des Philosophen Auguste Comte, dass eine Gesellschaft ganz ohne Religion nicht fortbestehen kann. Ihr droht die völlige Desintegration. Religiöse Werte und Normen, die die soziale Ordnung stärken, wirken angstlindernd und entlastend auf den Einzelnen.

* * *

Persönlich bin ich überzeugt, dass noch viel Kraft im Katholizismus steckt. Ich glaube, er hat Zukunft, obwohl sich die Entwicklung im Buch anders darstellt. Der Protest gegen die gleichgeschlechtliche Ehe brachte in Frankreich ungeheure Menschenmengen auf die Straße, darunter eine neue Generation junger Katholiken, modern, offen, sympathisch, brüderlich, leuchtend, wie ich sie nie gesehen hatte. Ganz anders als die alten Traditionalisten oder die Progressisten, die in Wahrheit verkappte Protestanten sind.

* * * 

Mein Talent besteht darin, Wirkungsmächte in der zeitgenössischen Gesellschaft ausfindig zu machen. Und der Wunsch nach Unterwerfung ist eine Kraft, die wieder wirksam wird. Die Religion hat dabei die Nase vorn, denn alle anderen Unterwerfungssysteme, Nationalismus, Faschismus, Kommunismus, sind im Abseits der Geschichte gelandet. Sie kommen nicht mehr infrage. Die Aufklärung ist am Ende. Der Humanismus ist tot. Der Laizismus, vor über 100 Jahren erfunden von Politikern, die im Atheismus die Zukunft sahen, ist tot.


Touché!



Montag, 9. Februar 2015

What this is about

In letzter Zeit erreichen mich immer wieder anonyme Leserkommentare, die die Eitelkeit meiner Zurschaustellung hier belächeln.

Erstens: Natürlich bin ich eitel. Zweitens: Sinn und Zweck dieses Blogs war eigentlich immer hauptsächlich, meiner Mutter und einigen Freunden, zu deren täglichen Lektüre nicht die BILD-Zeitung gehört, über meine publizistischen Aktivitäten in den Zonen der irdischen Eitelkeit auf dem Laufenden zu halten. Meine Mutter liest nämlich nur Die Tagespost, dadurch bekommt sie in der Regel nicht mit, was ich so in Berlin treibe. 


Am Samstag muss sie gestaunt haben, als besagte Zeitung meinem Buch Smalltalk eine freundliche Rezension widmete.

Was meine Mutter wiederum nicht mitbekommen hat, war: dass ich mich am Samstag in BILD an einer kleinen Apologie der jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus versucht habe. Hier ist sie. Speziell für meine Mutter. 

Was sie ebenfalls nicht mitbekommen hat: Vergangene Woche stattete die ehemalige Kaiserin von Persien der BILD-Redaktion einen Besuch ab. Den kleinen Bericht darüber finden Sie (nein, findet siehier.


Sonntag, 25. Januar 2015

Lassen Sie uns reden


... über Smalltalk, zur Abwechslung. In der Sonntagsausgabe der Wiener Presse ist ein Interview mit mir erschienen. Und hier noch ein Gespräch, das Jan Küveler mit mir für die Literarische Welt geführt hat. Und dann habe ich noch einen Talkshow-Auftritt absolviert. War grauenhaft. Aber es brachte mir einen erholsamen Tag mit Roomservice im Parkhotel in Bremen ein.


Mittwoch, 14. Januar 2015

Enfin! L'interview de Michel Houellebecq



Greser & Lenz in der F.A.Z. heute

Mit kleinem Pietäts-Abstand hat Canal+ nun das Interview mit Michel Houellebecq gesendet. Er trauert darin um den Verlust seines engen Freundes Bernard Maris und sagt sogar: "Je suis Charlie." Hier eine gute Zusammenfassung des Interviews. Und hier ist der Link zum Video.

Thomas Steinfeld hat ja in der Süddeutschen neulich darauf aufmerksam gemacht, dass die Grundidee von Houellebeqcs "Unterwerfung" an Jean Raspails 1972 erschienenen Roman "Heerlager der Heiligen" erinnert. Raspail ist eigentlich nur Connaisseuren reaktionärer Literatur bekannt, sein Buch "Sire" ist eines der schönsten, anti-modernistischen Bücher überhaupt. Er selbst ist natürlich ein wenig durchgeknallt und warnt seit Jahren lautstark vor der Kapitulation Frankreichs vor den Moslems und setzt auf eine irgendwann folgende Reconquista des Abendlandes.


Da DuMont mir noch immer kein Exemplar von "Unterwerfung" geschickt hat, nutze ich derzeit als Ersatzdroge Huysmans Klassiker "Die Kathedrale", quasi als Vorbereitung auf Houellebeqcs Buch, das, wie man hört, stark auf dieses Bekehrungs-Buch Huysmans Bezug nimmt. Das Buch ist auf Deutsch nur antiquarisch erhältlich. 

Montag, 12. Januar 2015

Is Irony over?


Kann man nach Paris wieder zur Tagesordnung übergehen? 

Also zum Beispiel unbekümmert über ein Buch plaudern, das sich mit einem eher seichten Thema wie Smalltalk befasst? Kann ich mich unbeschwert über eine wunderbare Rezension in der Süddeutschen freuen oder darüber, dass mein Buch nun unter den Top 20 der SPIEGEL-Bestseller gelandet ist?

Genau so gut könnte man allerdings fragen: Kann man nach so einem Tag eigentlich noch Marmelade kaufen?

Stimmt schon, es gibt derzeit dringendere Probleme als den rechten Ton auf Cocktailpartys. Oder nicht? Sind die Finessen menschlichen Miteinanders vielleicht Errungenschaften genau der Zivilisation, die wir nun zu verteidigen haben? Diese Argumentation versuchte ich jedenfalls gerade in einem Radiointerview zu vertreten.

Worum genau geht es denn, wenn wir sagen, wir müssen unser westliches Zivilisationsmodell verteidigen?

Der Ökonom Bernard Marisbesser bekannt als "Oncle Bernard"-Kolumnist von "Charlie Hebdo", einer der zwölf Todesopfer des barbarischen Terroranschlags, schrieb in seinem Vorwort zu einem Karikaturen-Band 2012:

"Warum ist das Leben nicht, wie wir es erträumen: poetisch, befriedet, intelligent, spekulativ, widersprüchlich, aber so, dass jede Meinungsverschiedenheit, jede Zänkerei sich nach einer zünftigen Diskussion in einem Glas Rotwein auflösen kann – und nicht in einer Blutlache?"

Zivilisierter Umgang miteinander! Mit einem Glas Wein in der Hand statt einem Dolch! Darum geht es doch! Man kann nicht miteinander plaudern, wenn man nicht gewillt ist, beim Gegenüber nach Gemeinsamkeit zu suchen und entschlossen, bei Antipathie taktvoll und freundlich zu bleiben.

Für Takt war "Charlie Hebdo", mit seinem derben Latrinenhumor, freilich kein strahlendes Beispiel, aber: Herabsetzung und Spott sind wohl tatsächlich Bestandteil intellektueller Freiheit. Hier steht, was der Boss meines Bosses zum Thema journalistische Freiheit zu sagen hat.

Aus meiner Sicht muss es schon deshalb erlaubt sein, sich gegenseitig zu verarschen und herabzuwürdigen, weil nur wenn es erlaubt ist, man auch freiwillig darauf verzichten kann.

Nur in der absoluten Freiheit verdient sich der Mensch jene Würde, die daraus erwächst, sich für das Wahre, Gute, Schöne entscheiden zu können.



Donnerstag, 8. Januar 2015

Sind wir alle Charlie?

Das ganze hat etwas von 9/11. Nach dem Anschlag auf das Herz der Finanzwelt, nun die Attacke gegen die Freiheit des Wortes. 


Die größte Zeitung Berlins druckt eine Auswahl der bösartigsten (und mutigsten?) Titelblätter von Charlie Hebdo. Londons Independent reagiert trotzig. Meine eigene Fassungslosigkeit spiegelt am ehesten die heutige Seite 1 der Pariser Sportzeitung L'Équipe wieder.

Sind wir nun also alle Charlie? Ist die Verletzung von Sittlichkeit und die Beleidigung des Religiösen ("jetzt erst recht") eine geradezu bürgerliche Pflicht im Sinne der unbedingten Freiheit? 

Was gilt es denn zu verteidigen, wenn wir von unserer Zivilisation sprechen? Das ist auch das Thema von Houellebecqs neuem Roman. Hier die in meinen Augen bisher interessanteste Rezension. Es ist auch das Thema unserer Zeit. Um darüber nachzudenken, habe ich mir gerade ein altes Essay von Martin Mosebach hervorgekramt. Es ist seit gestern leider nicht mehr ganz ohne Unbehagen lesbar. Die Gegenposition "We Need Blasphemy" macht mich aber auch ein wenig ratlos, ähnlich wie der zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich nicht wirklich "hilfreiche" Kommentar "Muslims are right to be angry" von Bill Donohue.

Wie 9/11 stellt der 7. Januar 2015 jedenfalls eine Zäsur dar. 
Es gibt ein Davor und ein Danach.



     



Montag, 5. Januar 2015

#Houellebecq rocks!

Nächste Woche erscheint das neue Buch von Houellebecq. Bevor es überhaupt erschienen ist, gilt es bereits als Skandal.

Am Wochenende hat er sich nun in einem großen Interview für die Literaturbeilage der WELT geäußert. Das Interview ist sensationell.

Wenn sich der wichtigste Schriftsteller der Avantgarde vom Relativismus der Aufklärung lossagt und plötzlich mit Religiosität und Kirche flirtet, ist die Avantgarde dann tot? Oder ist es jetzt avantgardistisch, reaktionär zu sein?

In dem Interview zeigt er auf eine Demarkationslinie, die nicht Okzident von Orient separiert, sondern: die Religiöse (Muslime und Christen) von Anti-Religiösen trennt. Er nennt den sich daraus ergebenden Konflikt DAS Thema unserer Zeit. Genau wie einst Benedikt XVI. in seiner legendären Regensburger Rede, die ja nur von Ahnungslosen als "anti-muslimisch" bezeichnet wurde, tatsächlich aber der Versuch eines Brückenschlags des Pontifex zu den Muslimen war - angesichts der gemeinsamen Herausforderungen durch Atheismus, Laizismus und technischen Fortschritt.

Gerade erst sorgte in Deutschlands akademischer Welt die pro-religiöse Streitschrift des Humboldt-Philosophie-Professors Volker Gerhardt ("Der Sinn des Sinns") für Verblüffung.

Was bedeutet es, wenn Frankreichs wichtigster Avantgarde-Schriftsteller und Deutschlands wichtigster Kant- und Nietzsche-Lehrer die Religiosität entdecken?