Dienstag, 6. Mai 2014

Putin und Piketty


Dies ist kein Ort für geo-politische Analysen. Aber für Klage darüber, dass keiner in der Causa Ukraine tiefer schürft. 

Ja, is' scho' recht, Putins Trauma ist der Zerfall, die Erniedrigung der Sowjetunion, wie sein Biograf Boris Reitschuster predigt. Seine neue, aktualisierte Putin-Biografie ist daher sicher lesenswert. Viel interessanter ist aber Frage, wie die Ost-West-Beziehungen in wenigen Jahren derart kollabieren konnten. 

Erinnert sich niemand mehr an die partnerschaftliche Rhetorik die zwischen George W. Bush und Putin herrschte? 

An die Zeit, als "der Westen" und "der Osten" Schulter an Schulter im Kampf gegen den militanten, wahhabitischen Islam standen? 

An die Kooperation in der Raumfahrt und im Nato-Russland-Rat?

Die Wurzeln für den gegenwärtigen Konflikt gehen tiefer.

Es geht eben nicht nur um Putins Psyche oder um Geopolitik, sondern um einen sich zunehmend auftuenden kulturellen Graben zwischen dem liberalistischen Westen und einem sich als Hort des Antimodernismus begreifenden orientalisch-slawischen Osten. 

In diesem Kulturkampf ergeben sich völlig neue, überraschende Allianzen, z.B. zwischen semi-aufgeklärten Muslimen und orthodoxen Christen. Um diesen Kulturkampf zu verstehen, muss man sich mit den Schriften eines Mannes befassen, der großen Einfluss nicht nur auf Putin hat, sondern als der einflussreichste Verfechter der "vierten politischen Theorie" gilt: Alexander Dugin.

Hier ein Interview, das er kürzlich dem populistischen, russischen TV-Interviewer Wladimir Posner gegeben hat (inkl. Transkript):





Die neueste Ausgabe der Zeitschrift "Foreign Affairs" hat den ideologischen Wurzeln des gegenwärtigen Konfliktes und dem Einfluss Dugins auf Putin einen Artikel gewidmet, der mit "lesenswert" unzureichend beschrieben ist. Hier ist er.

Einzig die WELT hat hierzulande übrigens bislang das Ressentiment-Gemisch thematisiert, dass sich in Russland aus Orthodoxie, Großmachtchauvinismus, faschistischen und altkommunistischen Elementen zusammenbraut – in einem Interview, das Andrea Seibel mit der Osteuropa-Expertin Sonja Margolina und dem Alt-Maoisten Karl Schlögel geführt hat. Bezeichnend, dass es vor allem kluge Linke sind, die zu begreifen beginnen, dass wir es mit einem Kampf der Kulturen zu tun haben. Hier ein Artikel aus der taz über Dugin.

Und dann gibt es noch ein Thema, das denkende Menschen derzeit umtreibt: der Mega-Bestseller des französischen "Rockstar"-Ökonomen (und Frauenverhauers?) Professor Thomas Piketty. Angeblich ist es derzeit auf Amazon ausverkauft, gebrauchte Exemplare werden bereits für dreistellige Beträge auf eBay gehandelt.

Muss man sich das jetzt antun? 700 Seiten? Jetzt da der Sommer beginnt? Gibt es nicht vergnüglichere Poolside-Lektüre? Der Economist hat uns dies freundlicherweise abgenommen und die wichtigsten Thesen Pikettys auf wenige Zeilen zusammen gefasst. Cheers! Und in der NZZ ist erfreulicherweise ein Artikel erschienen, der den gegenwärtigen Piketty-Hype wieder ein bisschen zu erden versuchen. Auch dafür ein herzliches Merci vielmal.




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